Immer wieder hört man das: „Fuchsien sind ja ganz schön, aber das ist doch nur was für ältere Menschen“. Oder: „Die sind ja sehr schön, aber aus der Mode gekommen“.
Stimmt das wirklich? Spielen Fuchsien heute auf dem Pflanzenmarkt keine Rolle mehr?
Wenn man das objektiv betrachtet, sieht das ganz anders aus:
Marktanteile und Umsatz Beet- und Balkonpflanzen 2011 |
|||
Gesamtumsatz 2011 |
1.940 |
Mio€ | |
Marktanteil in % | |||
Geranien |
11 |
213 |
Mio€ |
Sommerheide |
9 |
175 |
Mio€ |
Stiefmütterchen |
7 |
136 |
Mio€ |
Chrysanthemen |
5 |
97 |
Mio€ |
Frühlingsprimeln |
4 |
78 |
Mio€ |
Petunien |
4 |
78 |
Mio€ |
Beetbegonien |
3,5 |
68 |
Mio€ |
Strauchmargeriten |
3 |
58 |
Mio€ |
Fuchsien |
2,5 |
49 |
Mio€ |
Edel-Lieschen |
2 |
39 |
Mio€ |
Die Stars bei den Beet- und Balkonpflanzen sind „natürlich“(?) die Pelargonien (Geranien). Und den passionierten Fuchsienenthusiasten trifft es schwer, dass doch noch einige Pflanzensorten, die man vielleicht subjektiv als deutlich unwichtiger empfindet, vor den Fuchsien liegen.
Man kann klar feststellen:
Fuchsien gehören damit eindeutig zu den erfolgreichen Pflanzen in Deutschland. Sie sind kein „Nischenmarkt“, sondern ein kleiner, aber stabiler Bestandteil eines wesentlichen Segmentes des Pflanzenmarktes.
Pelargonien wurden wohl etwa um 1600 nach England eingeführt, sind also- zumindest in Europa- deutlich älter als die erst Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckten Fuchsien-Species, die wohl Grundlage der heutigen Hybriden sind und auch zuerst hauptsächlich nach Grossbritannien eingeführt wurden. Also sind Fuchsien eigentlich moderner, zumindest jünger! Aber ich habe bis jetzt noch nicht gehört, dass jemand Geranien (oder moderner Pelargonien) als altmodisch bezeichnet. Oder sind Beet- Balkonpflanzen insgesamt altmodisch?
Das lässt sich klar widerlegen. 2008 wurden 8,98 Milliarden € mit Pflanzen und Blumen in Deutschland umgesetzt, davon allein 3,18 Milliarden € mit Schnittblumen. Seitdem stagniert der Markt und der Gesamtumsatz ist leicht rückläufig. Hauptverlierer sind allerdings die Schnittblumen, die Beet- und Balkonpflanzen haben seit 2004 regelmässig Zuwachsraten (eigene Recherchen im Internet).
Ganz im Gegenteil: Beet- und Balkonpflanzen werden relativ gesehen immer wichtiger, sind also im Trend und damit modern. Und die Fuchsien halten ihren Platz!
Anders betrachtet wird dieses Thema noch klarer: statistisch gesehen kauft jeder Deutsche rund 0,65 Fuchsien im Jahr (80Mio Deutsche, 50Mio€ Umsatz mit Fuchsien, je Pflanze 2,50€).
Ist das nichts? Kann aber nicht stimmen, meine Frau hat allein ca. 300 Fuchsien, also für 192 Mitbürger für ein Jahr? Aber sie kauft ja nicht 300 jährlich (nein, nein, keinesfalls so viele!!!), da sie ihre Fuchsien überwintert. Dafür macht sie eigene Ableger. Schwierig.
Oder noch anders. Rosen sind sehr beliebt, keinesfalls altmodisch (? oder doch, die sind ja so herrlich altmodisch, die neuen englischen Rosen, ich mag die auch sehr!); falls Rosen in der Menge wie Fuchsien gekauft würden (Zahlen habe ich, ausser für Schnittrosen, nicht gefunden), wäre das kaum möglich. Ich liebe Rosen, aber 300 davon im Garten? Da müsste ich den ganzen Rasen umgraben, und das würde nicht mal annähernd reichen. Dafür braucht man dann eher ein grösseres Anwesen, z.B. einen Schlossgarten mit Rosarium. Und die Pflanzen sind ja auch teurer, also kauft kaum einer so viele.
Seit Jahren nimmt der Anteil der Pflanzen, die über Gartencenter und Baumärkte verkauft wird, rasant zu. Und bei diesen die Beet- und Balkonpflanzen. Aber auch Sträucher und andere Blühpflanzen, wie auch Rosen. Und gleichzeitig nimmt der Anteil der Gartenfachhändler und Spezialgärtnereien deutlich ab.
Diese Entwicklung ist charakteristisch für das Segment der Gebrauchs- und Wegwerfpflanzen. Fuchsien gehören hier für den Kunden klar zu den einjährigen Pflanzen, genauso aber auch Pelargonien etc.. Dieser Markt wächst. Pflanzennamen und Sorten etc. spielen hier keine Rolle, es geht nach Farbe, Aussehen und Mode. Heute Hip, morgen Out. Wie andere Modeartikel. Hier kann man bestimmt warten, bis die Fuchsien auch mal moderner werden und wieder out sind. Alles ist im Fluss und Sache der Werbung.
Und dann gibt es da noch den Sammlermarkt. Dieser wurde durch das Internet und den Versand revolutioniert. Ich kann mich noch erinnern, wie ich vor der Internet-Zeit eine bestimmte alte Rose haben wollte. Ein unglaublicher Aufwand mit Versandkatalogen, Telefonaten und Rückfragen. Kaum einer der damals so renommierten Rosengärtner existiert heute noch. Dafür kriegt man im Internet alles schnell und einfach. Der Markt ist aber eng; so viele passionierte und verrückte Rosensammler gibt es nicht.
Und so ist das wohl auch bei Fuchsien. Und bei Pelargonien. Relativ wenigen Sammlern stehen wenige, aber hochspezialisierte Gärtnereien gegenüber. Und Moden spielen in diesen Bereichen kaum eine Rolle (oder vielleicht doch?).
Im Gegenteil. Wir erleben in der Gesellschaft einen enormen Retro-Mega-Trend. Das wird nicht mehr altmodisch genannt, sondern heisst „Vintage“ oder „Retro“, die Betriebe nennen sich „Manufakturen“ und das Ganze ist schrecklich Hip, also ein echter Hype, um in der modernen Sprache zu bleiben. Und in diesen Szenen für den modernen, urbanen Individualisten und den stylischen Country-Cottage-Fan wird richtig Geld verdient. Jeder Zeitschriftenkiosk zeigt das durch sein Programm. Und durchaus selbstironisch muss ich zugeben, dass ich diese Betriebe auch sehr schätze und irgendwo in diesen modernen Szenen mit dem typischen Lifestyle meinen Platz gefunden habe. Ich bin mir bloss nicht immer sicher, wo. Also:
Der Massenmarkt ist out, da zu normal. Jeder muss seinen Spleen leben! Es gilt nur, möglichst viele aus dem Massenmarkt von dem Wert der Pflanzen und ihrer fachgerechten Pflege zu überzeugen, damit sie zu den ernsthaften Pflanzenliebhabern und Sammlern kommen. Die meisten von uns, auch meine Frau und ich, haben schliesslich mal so angefangen.
Und man kann besser 300 Fuchsien im Garten haben als 300 Rosen. Die Fuchsien sind handlicher (zumindest die meisten). Und wunderschöne Blüten und Farben haben die auch, wie die Bilder in diesem Blog zeigen. Und darum geht es hier schliesslich!
Das ist meine persönliche Meinung, bewusst teilweise provokant formuliert. Über lebhafte Meinungsäußerungen freue ich mich; bitte das Kommentarfeld unten nutzen!
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